17.1.21
Liebe Kollegen/innen und Freunde,
In den letzten Wochen waren wir in der „Corona-Krise“ mit zahlreichen neuen Entwicklungen und Fragestellungen konfrontiert und es hat uns einige Mühe gekostet, diese zu verarbeiten. Diese Infomail wird deshalb auch etwas umfangreicher ausfallen. Wir möchten uns an dieser Stelle für die zahlreichen Hinweise und Zuschriften bedanken!
Zunächst eine gute Nachricht: Auf Grund der großen Nachfrage und positiven Resonanz erscheint unser Buch „Covid-19 – neuartig, gefährlich, besiegbar“ in 3. aktualisierter und erweiterter Auflage. Was wirklich nicht selbstverständlich ist: Alle wesentlichen Aussagen der 1. Auflage vom August 2020 wurden durch zahlreiche neue Erkenntnisse bestätigt bzw. erweitert. Keine Aussage musste zurückgenommen werden. Erweiterungen gibt es zur Impfstoffentwicklung, Umweltfrage und zur vertieften Auseinandersetzung zur Bewegung von Corona-Skeptikern.
Wir sehen uns bestätigt in dem Anliegen, angesichts einer verwirrenden Fülle von widersprüchlichen Informationen und Desinformation in den Medien, mit einem kurzen, wissenschaftlich fundierten und dennoch allgemeinverständlichen Handbuch zur Orientierung und kritischen Bewusstseinsbildung beizutragen. Besitzer der 1. Auflage können zum Unkostenpreis von drei € eine digitale Datei mit den wesentlichen Ergänzungen bestellen: https://www.neuerweg.de/bucher/covid-19-neuartig-gefaehrlich-besiegbar/covid-19-neuartig-gefaehrlich-besiegbar .
Das beherrschende Thema ist der sogenannte „Lockdown“, der in Wirklichkeit gar keiner ist, weil Produktion, Logistik, Arbeit in Großraumbüros und Fahrten in überfüllten Verkehrsmitteln unverändert weiter gehen. Die anhaltend hohen Infektionszahlen und hohe Mortalität trotz dieser halbherzigen Maßnahmen seit November werfen viele Fragen auf – und verschärfen die Polarisierung der öffentlichen Debatte.
Angesichts der bedrohlichen Infektionslage sprechen wir uns für einen möglichst kurzen, aber konsequenten echten Lockdown aus – inklusive Industriebetriebe, Büros, Ämter und Logistik. Dabei ist umfassend die Grundversorgung der Bevölkerung und die Funktionsfähigkeit des Gesundheitswesens zu gewährleisten. Undemokratische Unterdrückungsmaßnahmen gegen die Bevölkerung sind abzulehnen. Elementare soziale Beziehungen und sportliche Betätigung müssen möglich sein. Danach muss das öffentliche Leben wieder schrittweise hochgefahren und die Einschränkungen auf das notwendige Maß beschränkt werden. Gleichzeitig muss der Gesundheitsschutz und die Gesundheitsversorgung konsequent und perspektivisch ausgebaut werden, z.B. durch
- kostenlose Massentestungen in Betrieben, Schulen, Kitas, Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen
- Kostenlose FFP-2 Masken für die gesamte Bevölkerungsschichten
- Home-Office, Entzerrung der Schichtzeiten, Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich
- Sofortprogramm zur Ausbildung und Fortbildung von Pflegepersonal sowie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen
- Höhere Taktzahl und ausreichendes Platzangebot im ÖPNV
- Ausstattung von Betrieben und Schulen mit UV-Luftreinigungsgeräten etc.
Ausgangssperren und undemokratische Unterdrückungsmaßnahmen sind abzulehnen, sie haben auch in anderen Ländern wie Frankreich oder Spanien keine wirkliche Wende gebracht!
Bei einem konzentrierten kompletten Lockdown muss auch die Home-Office Arbeit eingeschränkt werden, so dass Eltern wie auch den Kindern keine Zerreißprobe zugemutet wird.
Gerade gegenüber Kindern und Jugendlichen muss diese Zeit genutzt werden, dass die Kinder- und Schülerbetreuung in konstanten Klein- und Kleinstgruppen gegebenenfalls mit zusätzlichen Neueinstellungen und freiwilligen Helfern gewährleistet wird. Die Kinder und Jugendlichen dürfen nicht vollständig auf die Familien zurückgeworfen und Unterricht und Spielen mit Freunden total eingefroren werden. Wir sehen das auch als Chance zu einem nachhaltigen jugend- und schulpolitischen Neuanfang über die Pandemie hinaus – weg von überfüllten Klassen und Auslesemethoden!
In einer polarisierten Diskussion melden sich zunehmend auch einzelne Virologen und prominente Mediziner mit kritischen Äußerungen. Der Virologe Alexander Kékule warnt vor einer „Betonplattenpolitik“ der Regierung, die „nur noch im Nebel navigiere“. Man solle „nicht jeden Kontakt unterbinden, aber gefährliche“. Prominente Mediziner und Wissenschaftler um Prof. Schrappe, Prof. Glaeske, Prof. Püschel, nahmen am 10.1. in einem 7.-Thesenpapier kritisch zum Krisen-Management der Regierung Stellung (s.a. Ärztezeitung vom 13.1.). Die derzeitige Lockdown-Politik sei gerade für die vulnerablen Gruppen wirkungslos. Sie warnen vor zu hohen Erwartungen an das Impfen und fordern einen Strategiewechsel auf der Basis einer „evidence-based-medicine“ mit Konzentration auf eine allseitige Prävention der besonders gefährdeten Bevölkerungsgruppen, mit konsequenter Stärkung der Pflegekapazitäten in den Kliniken etc. Sie setzen damit aber letztendlich auf die gescheiterte Strategie der „Herdenimmunität“ und blenden die tatsächlichen Optionen einer konsequenten Pandemiepolitik aus und qualifizieren Covid-19 fälschlicherweise als eine „Epidemie der Alten“.
In Wahrheit wird Covid-19, auch weltweit gesehen, zu einer Pandemie der Armen! Eine sehr wichtige Arbeit haben Professor Dragano von der Universität Düsseldorf und seine Arbeitsgruppe zusammen mit der AOK geleistet. Sie beweist die sprunghafte Zunahme von Covid-19 bei ALG2- und auch noch ALG1-Empfängern. https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2020.06.17.20133918v1
„Dass Armut und Gesundheit zusammenhängen, wissen wir seit langem. Wenn nun insbesondere Langzeitarbeitslose ein höheres Risiko haben, mit COVID-19 im Krankenhaus behandelt zu werden, könnte es daher daran liegen, dass sie oft gesundheitlich vorbelastet sind“, so Prof. Nico Dragano.
Interessant für die Diskussion über einen Lockdown ist auch die Kampagne von Wissenschaftlern und Aktivisten für einen europäischen Lockdown (www.zero-covid.org) Wir würden diese Diskussion über Lockdown und Perspektive der Pandemie gerne in der nächsten Infomail weiterführen und freuen uns auf Eure/Ihre Beiträge.
Im Zusammenhang mit den widersprüchlichen Aussagen zur Covid-Letalität und -Mortalität stießen wir auf neue Erkenntnisse: Verschiedene Epidemiologen und Wissenschaftler, unter ihnen Professor John Ioannidis verweisen wiederholt auf die relativ niedrige Infektions-Letalität bei Covid-19. Es handelt sich dabei um die prozentuale Sterblichkeit – unter Berücksichtigung aller Infektionen, also auch der Dunkelziffer. Sie liegt bei unterschiedlichen Berechnungen bei 0,2 bis 0,4 %, s.a. Joannidis, Bulletin der WHO vom 14.10.2020 zur „Infection Fatality rate von Covid 19“. Dies wurde v.a. von Coronaskeptiker gerne aufgegriffen, als Beweis für die „Harmlosigkeit“ des Virus, angeblich vergleichbar mit einer Influenza. Dass die Dunkelziffer so stimmt muss allerdings angezweifelt werden, ebenso dass wirklich alle CoV2-bedingten Todesfälle als solche erfasst werden. Die Arbeit von Ioannidis wirft Studien völlig verschiedener Ausgangslage wild durcheinander. Ioannidis rudert in diesem Zusammenhang bereits kräftig zurück und behauptet, er habe das alles nie so vertreten und sei falsch interpretiert worden: https://taz.de/Coronamythen-und-Fakten-3/!5738507/
Die Behauptung der niedrigen Infektions-Letalität steht auch im Widerspruch mit dem anhaltenden dramatischen Anstieg der Covid-19-Mortalität, die vor allem aus der extremen Infektiosität des Virus resultiert. Eine Letalität von 0,3 % bei 10 Mio. Infektionen entspricht 30 000 Toten. Wie der Zahlenvergleich von Mortalität und Letalität in unterschiedlichen Ländern, Regionen und Populationen zeigt, werden Mortalität und Letalität jedoch auch bestimmt vom Alter, Vorerkrankungen, den Umwelt- und Lebensbedingungen, dem Zustand des Gesundheitswesens, dem Gesundheitsschutz etc.
Zunehmend setzt sich auch die Erkenntnis durch, dass die Quantität der aufgenommenen Viren mit darüber entscheidet, wie die Infektion verläuft. Wir haben in den letzten Wochen bei anhaltend hohen Inzidenz festgestellt, dass die Zahl schwerer Verläufe zunimmt. Wir konnten aber auch anhand der offiziellen Zahlen feststellen, dass die „Fall-Letalität“ (also prozentuale Letalität der registrierten Corona-Fälle) im Vergleich zur ersten Covid-19-Welle deutlich angestiegen ist. Das könnte mit der anhaltend hohen CoV-2-Inzidenz in breiten Bevölkerungsschichten und der im Durchschnitt höheren aufgenommenen Viruslast zusammenhängen.
Fazit: Die Covid-Letalität und -Mortalität können nur im Zusammenhang mit all diesen Faktoren richtig interpretiert werden. Die Darstellung von Ioannidis ist undialektisch und fehlerhaft. Inwieweit mit der Ausbreitung des Infektionsgeschehens auch die durchschnittliche Infektionsletalität ansteigt, muss überprüft werden. Diese Frage ist von großer Bedeutung zur Beurteilung des künftigen Pandemieverlaufs.
In der Diskussion um die Impfung gibt es aus unserer Sicht folgende neuen Aspekte:
- Die mRNA-Impfstoffe und RNA-Biotechnologie stellen einen wichtigen Durchbruch in der Medizin dar und voraussichtlich auch einen entscheidenden Baustein im Kampf gegen Covid-19. „Das Molekül ist ein wesentlicher Bestandteil der menschlichen Biologie, es dient als Bote, der Bauanleitungen zwischen dem Erbgut und den Proteinfabriken der menschliche Zelle transportiert. Wer mRNA beherrscht, kann quasi die Zellen programmieren, um dem Körper theoretisch alle möglichen Anweisungen zu erteilen: einen Tumor anzugreifen. Oder das Immunsystem gegen Viren in Mensch in Gang zu setzen.“ (Biontec-Impfstoff-Erfinder U. Sahin im Spiegel-Interview 2.1.21)
- Der Impfstoff ist auch gegen die neuen gefährlichen Virus-Varianten wirksam und läßt sich kurzfristig für weitere CoV-2-Mutationen modifizieren
- Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass die RNA-Impfstoffe hochwirksam sind, um ernsthafte Covid-Erkrankungen zu verhindern. Sie werden damit auch – mehr oder weniger – zur Eindämmung der Pandemie beitragen.
- Die Impfstoffe sind relativ gut verträglich, abgesehen von sehr seltenen anaphylaktischen Reaktionen. Mit 80% Wahrscheinlichkeit treten vor allem nach der 2. Impfung Schmerzen an der Injektionsstelle auf und in über 20% Müdigkeit, Kopfschmerzen, grippale Symptome für kurze Zeit. Die Impfung muss also auch unter diesen Aspekten richtig eingeplant werden (48 Stunden nach Impfung keine körperliche Belastung oder Streßsituationen).
- Die Warnungen vor diesem Impfstoff sind wissenschaftlich nicht gerechtfertigt und angesichts des besorgniserregenden Pandemieverlaufs unverantwortlich, weil sie eine undifferenzierte und unbegründete allgemeine Impfskepsis fördern. Dieser muss durch überzeugende Argumente begegnet werden, vorrangig beim Pflegepersonal.
- Abzulehnen sind die undurchsichtigen Machenschaften und Deals von Pharmakonzernen mit den Regierungen großer imperialistische Länder, die nur darauf abzielen, aus den Impfprogrammen maximale Milliarden-Profite zu erzielen und Impfstofflieferungen als Machtinstrument gegen ärmere Länder zu nutzen. Dringend zu fordern ist eine Abschaffung des Patentschutzes für lebenswichtige Medikamente und Impfstoffe, die konsequente Weiterverfolgung der geimpften Patienten und der schnellstmögliche Ausbau der Produktionsstätten für erprobte Impfstoffe.
Kurzmeldungen:
- Mediziner von der Universität Bonn haben einen innovativen und erfolgversprechenden Weg eingeschlagen, neuartige und hochwirksame „Nano-Antibodies“ (Bruchteile von Antikörper) im Kampf gegen Covid-19 herzustellen und einzusetzen. Dabei haben sie Moleküle entdeckt, die in der Lage sind, eine Strukturänderung des Virus zu bewirken, so dass dieses frühzeitig vom Immunsystem erkannt und bekämpft werden kann. Diese entscheidende Weiterentwicklung der passiven Immuntherapie könnte zu einem Gegengewicht oder auch wichtigen Ergänzung der einseitigen Fokussierung auf Impfstoffe werden. (Paul-Albert König et al.: Structure-guided multivalent nanobodies block SARS-CoV-2 infection and suppress mutational escape Science 12 Jan 2021; DOI: 10.1126/science.abe6230)
- Eine neuere Studie über Patienten aus Wuhan gibt wichtige Erkenntnisse über die Langzeitfolgen von Covid-19-Infektionen. Demnach klagen 63 % der stationär behandelten Patienten über Abgeschlagenheit oder Muskelschmerzen, 26 % litten an Schlafstörungen, 23 % unter Angstzuständen und Depressionen. 56 % hatten nach einem schweren Verlauf noch nach Monaten eine gestörte Lungenfunktion, bei weniger schwerem Verlauf waren es 29 %. 13 % der früher nierengesunden Patienten hatten eine eingeschränkte Nierenfunktion (Lancet: Huang et al., 2021). In verschiedenen Universitätsklinik Deutschlands laufen inzwischen Studien über die Langzeitfolgen (Long-Covid-Syndrom), die auch das Nervensystem betreffen. Unsere Mediziner-Plattform hatte schon sehr frühzeitig diese Forderung gegenüber dem RKI erhoben. Bis heute wird hierzulande versäumt, durch frühzeitige Labordiagnostik und therapeutische Maßnahmen das Risiko für schwere Verläufe zu minimieren – was in unserem o.gen. Buch eingehend kritisiert und beschrieben wird.
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- Der natürliche Stoff Glycyrrhizin aus der Süßholzwurzel ist nach Forschungsergebnissen Essener Mediziner ein möglicher Wirkstoff gegen das Coronavirus Sars-Cov2. In Zellkulturversuchen zeigte sich, dass der Wirkstoff stark antiviral gegen das Virus wirkt, teilt das Uniklinikum Essen mit. Glycyrrhizin wird unter anderem zur Herstellung von Lakritz verwendet. Eine Überprüfung der Wirksamkeit am Menschen in klinischen Studien stehe derzeit aber noch aus. „Glycyrrhizin hemmt ein für die Virusvermehrung essenzielles Enzym, die virale main protease“, erklärt Adalbert Krawczyk, Leiter der Studie. Die in Süßholzwurzel-Tee vorhandene Konzentration an Glycyrrhizin sei demnach bereits ausreichend, um die Viren in der Zellkultur zu zerstören. Die maximale Tagesdosis von Glycyrrhizin liegt bei 100 Milligramm, das entspricht je nach Sorte etwa 50 Gramm Lakritz. „Möglicherweise könnte der Konsum von Lakritz oder des Süßholzwurzelextraktes als Tee den Krankheitsverlauf günstig beeinflussen“, vermutet der Fachvirologe. Interessanterweise wurde Glycyrrhinzin bereits früher erfolgreich bei Hepatitis C (RNA-Virus) eingesetzt.
- In einem Science-Artikel wird über ein über ein über Monate andauerndes immunologisches Gedächtnis berichtet (Immunological memory to SARS-CoV-2 assessed for up to 8 months after infection, 10.1126/science.abf4063). Das spricht dafür, dass es doch eine gewisse vor allem zellgebundene Immunität nach durchgemachter Infektion gibt.
- Die Debatte über den Ursprung von SARS-CoV-2 ist immer noch nicht geklärt. Eine Rolle spielt hier weiter der Artikel von Alina Chan und anderen (https://www.biorxiv.org/content/10.1101/2020.05.01.073262v1.full.pdf).Dieser Artikel liefert zusätzliche Argumente für die bereits im März 2020 im Brief von Dr. W. Mast an das RKI aufgeworfenen Fragen, die sich aus einem Artikel von Nature Medicine von 2015 ergeben (s.a. Covid-Buch S. 37 ff.). Der Ursprung des Virus ist von großer Bedeutung, um die komplexe Pathophysiologie richtig zu beschreiben. Wir werden hier weiter auf Nachforschungen und Antworten drängen. Der Kampf für Verbot und Vernichtung aller ABC-Waffen bleibt aktuell.
Wir erleben eine dynamische und widersprüchliche Entwicklung, die uns alle belastet und besondere Anforderungen stellt. Wir sehen aber auch mit Optimismus die Entwicklungen, die nach vorne weisen.
Die akutelle Kolumne „Dr.Hontschiks Diagnose“ zu den Paragrafen 218 und 219a, die uns Kollege Hontschik dankenswerterweise wieder zur Verfügung gestellt hat, senden wir ebenfalls mit. Der internationale Frauentag, der 8.März, rückt näher. Wir freuen uns auf Beiträge und Anregungen, die auch den Zusammenhang zwischen dem Kampf gegen die Corona-Pandemie und der Weltfrauenbewegung behandeln. Wir setzen darauf, dass Covid-19 mit vereinten Kräften besiegbar ist und freuen uns auf die weitere spannende Zusammenarbeit.
Bleiben Sie/ bleibt gesund!
Ihr
Günther Bittel
Willi Mast
Günter Wagner