Seit 1890 ist der 1. Mai der internationale Kampf- und Feiertag der Arbeiterklasse. Er wurde durchgesetzt und verteidigt gegen alle Verbote und Unterdrückungsversuche – und wird es bis heute in vielen Ländern der Welt. Die Corona-Pandemie ist eine weltweite Herausforderung. Sie erfordert die Durchsetzung konsequenter Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit. Eine Absage des 1. Mai aber rechtfertigt sie niemals!
Seit Wochen kämpfen Arbeiter und Gewerkschaften gerade in der Automobilindustrie dagegen, dass unsere Gesundheit den Profitinteressen geopfert wird. Mit Streiks und Protesten haben unsere Kollegen bei FIAT in Italien, PSA in Frankreich, Mercedes in Spanien und Baden-Württemberg eine Einstellung der Produktion durchgesetzt. Bei uns im Zentralen Ersatzteilelager von Opel in Bochum forderten rund 140 Kolleginnen und Kollegen in Ver-sammlungen die Werksleitung auf, den regulären Betrieb zum Schutz der Gesundheit einzustellen. Bei unseren Kollegen im Gesundheitssektor wachsen nicht erst seit der Corona-Pandemie die Wut und der Widerstand dagegen, dass Gesundheitsvorsorge und Pflege immer stärker zur Zielscheibe von Kapitalanlage und Ausbeutung durch Monopolkonzerne werden. Dieser Protest muss gerade am 1. Mai 2020 zum Ausdruck kommen und auf die Straße getragen werden! Ersatzteile für Autos gehören nicht zur lebensnotwendigen Grundversorgung. Eine Notbesetzung wäre in unserem Lager vollkommen ausreichend, um z.B. die Mobilität von Ärzten und Krankenschwestern zu gewährleisten. Anstatt den Betrieb zeitweilig stillzulegen und so die Infektionskette zu unterbrechen, werden wir jeden Tag gezwungen, die Arbeit aufrecht zu erhalten und in Fahrgemeinschaften oder dem öffentlichen Nahverkehr eine Ausbreitung der Pandemie zu riskieren. Während die Grenzen für Flüchtlinge geschlossen werden, sind Logistikzentren wie unseres nach wie vor Drehscheiben des internationalen Warenverkehrs im Interesse des Kapitals. Außerhalb des Betriebs unterliegen wir einer Kontaktsperre, bei der wir uns höchstens zu zweit in der Öffentlichkeit aufhalten dürfen. Im Betrieb, wo der Profit erwirtschaftet wird, spielt das plötzlich keine Rolle mehr. Am 30. April zum Arbeiten gezwungen, am 1. Mai der Protest verboten – das akzeptieren wir nicht. Auch wenn die Situation kompliziert ist, kritisieren wir unseren DGB dafür, dass bereits am 20. März sämtliche Aktivitäten zum 1. Mai ersatzlos gestrichen wurden. Dass es anders geht, zeigen zum Beispiel die Proteste gegen die Regierungspolitik in Polen mit Sicherheitsabständen, Autokorsos und im Internet! Konsequenter Gesundheitsschutz – Ja! Undemokratische Notstandsmaßnahmen – Nein! Kein Abbau demokratischer Rechte und Freiheiten! Die Gefahren durch die Corona-Pandemie sind ernst und gravierend. Konzerne und Regierungen missbrauchen sie jedoch dafür, von der schon 2018 ausgebrochenen Weltwirtschafts- und Finanzkrise abzulenken. Unsere Kollegen bei Opel in Rüsselsheim wurden schon im September 2019 in Kurzarbeit geschickt, als von Corona noch keine Rede war. Die diesjährige Nullrunde in der Metall- und Elektroindustrie, die der IGM-Vorstand unter dem Vorwand von Corona jetzt als „Solidarität“ mit den Großkonzernen verkauft, wurde von BDI und BDA schon im letzten Herbst gefordert. Obwohl Opel erst vor Wochen den höchsten Gewinn in der Firmengeschichte verkündet hat, lassen sie sich – wie viele andere Konzerne– die Kurzarbeit zum Großteil mit öffentlichen Geldern, also mit unseren Steuern finanzieren.Während Kleinbetriebe dringend auf Hilfe warten und reihenweise vor dem Aus stehen, werden Milliarden für die „Rettungsschirme“ von Großkonzernen bereitgestellt, die gleichzeitig Dividenden an Aktionäre ausschütten. Für die Schulden der öffentlichen Hand wird man dann wiederum uns zur Kasse bitten! Jetzt, wo die Konzerne fürchten, sich nicht mehr jeden Tag an unserer Arbeit bereichern zu können, zeigt sich, wie „systemrelevant“ wir Arbeiter sind! Grund genug, dieses ganze kapitalistische System in Frage zu stellen. Die Corona-Pandemie kann die Krisen des Kapitalismus nicht verdecken – sondern treibt sie auf die Spitze! Forderung von Gesundheitsschutz auf der einen Seite, Protestkundgebungen und Streiks für seine Durchsetzung auf der anderen Seite – das ist kein Widerspruch, sondern dringend geboten! Wir Arbeiter sind diszipliniert genug, um alle nötigen Sicherheitsabstände und –maßnahmen einzuhalten. Die Internationale Automobilarbeiterkonferenz hat den seit 1984 am 28. April stattfindenden Tag des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu ihrer Sache gemacht – nutzen wir diese Gelegenheit! Wir rufen dazu auf, am 1. Mai kämpferische Aktivitäten durchzuführen. Für 11 Uhr wurde eine Kundgebung auf dem Willy-Brandt-Platz in Bochum angemeldet, an der wir uns beteiligen werden. So oder so – den 1. Mai lassen wir uns nicht nehmen!