HAMBURG |20.12.18| Am 18. Dezember 2018 wurde in Hamburg der erste Prozess gegen fünf junge Männer gehalten, die für die Anti-G20 Proteste an der Elbchaussee verantwortlich gemacht werden. Der Prozess im Hamburger Landgericht begann mit einer Verspätung um 10 Uhr morgens.
Obwohl sich ein hoher Aufwand der Polizei vor dem Gerichtssaal befand, zeigten sich Massen sowohl vor dem Landgericht, als auch im Gerichtssaal, der bis zum letzten Stuhl gefüllt war, solidarisch mit den Angeklagten. Ein Bus fuhr für die Gefangenen in Frankfurt am Main ab. Neben dem Frankfurter Publikum, das in Polizeibegleitung in den Gerichtssaal gebracht wurde, war die Solidaritätsbeteiligung aus Hamburg und Frankreich auch hoch.
Die Inhaftierten Can N. und Halil K aus Hessen., und Loic S. aus Frankreich betraten das Gerichtssaal mit ihren Fäusten in der Luft. Sie wurden vom Publikum mit Applaus und Jubel begrüßt. Drei der beschuldigten Jugendlichen sind seit etwa 6 Monaten in Haft, während an zwei von ihnen wenige Tage nach ihrer Haft aufgrund ihres Alters eine Haftverschonung angeordnet wurde.
Der G20 Gipfel, der den Herrschenden dazu dient, im Rahmen ihrer eigenen Interessen und ihres Strebens nach Profitmaximierung Partnerschaften zu schaffen und Übereinkünfte zu treffen, hat im Juli letzten Jahren in Hamburg stattgefunden. Zeitgleich zu dem G20 Gipfel der Herrschenden sind hunderttausende von Menschen zusammengekommen, um tagelang verschiedene Formen von Protesten auszuführen und ein Zeichen gegen die Herrschenden zu setzen. Eine der Straßenproteste war der am Morgen des 7. Juli’s 2017 auf der Elbchaussee. Rund 220 Personen verbrannten mehrere Autos und schlugen viele Geschäftsscheiben ein. Heute werden 5 junge Männer ohne jeglichen Beweis verantwortlich gemacht und vor das bürgerliche Gericht des deutschen Staates gestellt.
Anklageschrift: “Bericht über finanzielle Schäden”
Der Staatsanwalt hat in der Anklageschrift alle brennenden Autos und alle kaputten Geschäfte beschrieben. In der Tat war die Anklageschrift, die vom Staatsanwalt Tim Paschkowsky vorgelesen wurde, eher ein Bericht über finanzielle Schäden als eine Anklageschrift. Die Liste der verbrannten Autos, kaputten Geschäfte, explodierenden Toiletten usw. machten einen großen Teil der Anklageschrift aus. Etwa eine halbe Stunde später wurde berichtet, dass es sich insgesamt um mindestens 1 Million Euro Sachschaden handelt.
Die Anklageschrift umfasst fünf junge Menschen im Alter zwischen 18 und 24 Jahren, denen ebenfalls schwerer Landfriedensbruch, Brandstiftung, gefährliche Körperverletzung und Verstoß gegen das Waffengesetz vorgeworfen wird. Obwohl diese Anklagen in der Anklageschrift aufgeführt sind, gibt es keine Beweise dafür, dass die fünf diese Handlungen begangen haben. Doch selbst die Wahrscheinlichkeit, an diesen Handlungen teilgenommen zu haben, entspreche laut Staatsanwaltschaft einer Straftat, und zwar im oberen Bereich. Der Staatsanwalt will für jeden Gefangenen bis zu zehn Jahre Haftstrafe.
“Mit-Täter” oder Gehilfen?
Die Staatsanwaltschaft kann nicht nachweisen, dass die vier Jugendlichen aus Hessen aktiv an den Ausschreitungen teilnahmen. Sie argumentieren jedoch, dass ihre Anwesenheit ausreiche, um sie als Komplizen zu verurteilen. Der Anklageschrift zufolge hat die 220-köpfige Gruppe, die die Aktion durchgeführt hat, gemeinsam beschlossen, Verbrechen zu begehen und „Angst und Terror zu verbreiten“. Die Richterin weist darauf hin, dass dies nur eine geistige Hilfe sei. Diese Uneinigkeit zeigt die Unvereinbarkeit zwischen Richterin und Staatsanwalt.
Illegale Operation des deutschen Staates in Frankreich
Jeder Gefangene wird bei den Anhörungen von zwei AnwältInnen begleitet. Die AnwältInnen reagierten auf die Anklage mit langen Verteidigungsmaßnahmen. Der Anwalt von Loic S., Lukas Theune, sagte, dass die Staatsanwaltschaft eine „Verurteilung um jeden“ Preis wolle. In der Rechtssache seines Mandanten Loic S. überschritt die Hamburger Polizei ihre Autorität. Sie untersuchte mehrere nicht genehmigte Fälle in Frankreich und ließ Loic S. festnehmen.
Verteidigungsanwältin Gabriele Heinecke sagte, auch wenn die Angeklagten an der Aktion an der Elbchaussee teilgenommen hätten, würden sie nur von ihrem Demonstrationsrecht Gebrauch machen. Es sei lächerlich, für Millionen von Sachschäden aufgrund ihrer eventuellen Anwesenheit verantwortlich zu sein. Rechtsanwältin G. Heinecke, die zuvor Vertreidigungsanwältin in einem separatem G20 Prozess war, gab Beispiele vom damaligen italienischen Häftling Fabio V., dessen Anklage – auch aus Beweismangel – nicht weiter behandelt werden konnte. Fabio V. wurde ebenso ohne konkrete Beweise Monate in deutschen Gefängnissen gehalten.
Die nächste Verhandlung findet am 10. Januar 2019 statt
Bis Mai 2019 sind insgesamt 27 Prozesstermine terminiert. Die nächste Verhandlung wird am 10. Januar 2019 ab 09:30 Uhr stattfinden. Bevor die Gefangenen vom Gerichtssaal herausgeführt wurden, durften die Angehörigen der Gefangenen sich verabschieden. Vorsitzende Richterin Anne-Meier Göring lies es zu, obwohl die Polizei sich dagegen stellte.
Am Ende des Prozesses wurden die Gefangenen wieder mit ihren Fäusten in der Luft unter Anleitung der Polizei rausgeführt und zur Verabschiedung vom Publikum stehend applaudiert und bejubelt.
Anekdote
In Bezug auf den Prozess der Anti-G20 Proteste an der Elbchaussee gegen 5 junge Männer, die etwa ein Jahr nach dem G20 Gipfel durch Hausdurchsuchungen festgenommen wurden, hinterließen sowohl die Angeklagten, als auch die, die sich solidarisch zeigten, einen positiven Eindruck. Wie auch in den vorherigen Verfahren, die wir verfolgt haben, versuchen die Herrscher auch hier fünf junge Menschen ohne Beweis verantwortlich zu machen, um Barrikaden vor dem wachsenden antifaschistischen Kampf zu stellen, Angst zu verbreiten und AktivistInnen zu kriminalisieren. Das Gerichtsgebäude, in dem die Anhörungen stattfinden, ist ein Ort mit Hochsicherheit, das man nur durch eine Kontrolle betreten darf. Es befindet sich neben dem Gefängnis, das viele politische Gefangene aus verschiedenen Institutionen haltet. Die deutsche Polizei nutzt das Medieninstrument, um diese Anhörung und die Solidaritätsaktionen als kriminelle Gruppe in der Gesellschaft zu verbreiten. Während bestimmte bürgerlichen Nachrichtenagenturen ohne Probleme Zugang erhielten, wurden alternative PressearbeiterInnen verschiedenen Untersuchungen unterzogen.
Nach dem Prozess wissen wir, dass die Frage der G20-Gefangenen von der Herrschenden mit Ernsthaftigkeit behandelt wird. In letzter Zeit werden viele Menschen mithilfe von Medien unbestimmt gesucht und kriminalisiert. Wenn wir auf die gleichen bürgerlichen Medien schauen, müsse jeder der G20-Gefangenen „bestraft werden“. Mit der Mobilisierung durch das Medieninstrument der Bourgeoisie und aller Möglichkeiten der Herrschenden, soll die soziale Widerstandsbewegung, die weiterhin steigt, verhindert werden. Die soziale Widerstandsbewegung zeigt den G20-Gefangenen durch ihre Solidarität, dass sie nicht alleine sind und nie alleine sein werden.