14.3.2021
Liebe Kollegen/innen und Freunde,
Ein Jahr Info-mail und Mediziner-Plattform – am 10.3.20 gingen wir das erste mal auf Sendung, in den ersten 2 Wochen sogar noch mit tagesaktuellen Berichten. Wenn der Anlass auch kein erfreulicher war: heute ist dennoch ein Grund, auf die zwischenzeitlich geleistete Arbeit stolz zu sein und allen, die dazu beigetragen haben, ganz herzlich zu danken!
Wir freuen uns auf die nötige Erweiterung unserer Plattform und weitere Zusammenarbeit und bitten recht herzlich um Engagement und Initiative.
Zur aktuellen Situation
Wohin uns die pragmatische regierungsamtliche Strategie des „auf Sicht fahrens“ führt, erleben wir augenblicklich. Die Inzidenzzahlen steigen wieder an, ein Wiederanstieg der schweren und tödlichen Covid-Erkrankungen ist zu erwarten. Ein endloser, inkonsequenter „halber“ Lockdown hat – wie zu erwarten – nicht zu dem Ergebnis geführt, die Pandemie bundes- und europaweit wieder unter Kontrolle zu bekommen. Die Forderung von zahlreichen Virologen, Medizinern und Aktivisten nach einer No-Covid- oder Zero-Covid-Strategie, die auch unsere Mediziner-Plattform vertritt, wurde ignoriert. Letztlich scheiterte das an der Intervention der großen Konzerne, deren Interessen ja nicht angetastet werden durften. Sie sind auch die treibende Kraft für eine wenig durchdachte, überstürzte Öffnung.
Zu dem Impf-Debakel und einem verwirrenden 4-Stufenplan kommt jetzt noch das Debakel mit den Testungen. Viele Menschen sind entnervt, verunsichert, viele stehen auch wirtschaftlich am Abgrund. Zurecht wächst die Kritik über das Corona-Management und die Forderung nach Rücktritt des Gesundheitsministers wird immer lauter.
Laut Bundesgesundheitsministerium wurden bis 11.3. knapp 12,5 Millionen Impfdosen nach Deutschland geliefert (WAZ 13.3.21). mit Stand vom 13.3. erfolgten aber bis jetzt nur 6,113 Millionen Erstimpfungen und 2,5 Millionen Zweitimpfungen, also insgesamt 8,86 Millionen Impfungen. Wo bleibt der „Rest“ von 3,64 Millionen?
Das Impf-Chaos wirft ein bezeichnendes Licht auf den Zustand der kapitalistischen Welt. Gab es am Anfang der Diskussion noch Beteuerungen der Regierungen und internationalen Organisationen, dass Covid-Impfstoffe global für alle Menschen der Welt bereitgestellt werden müssen, dann ist heute Impfstoff-Nationalismus und -Imperialismus Trumpf. Es geht nicht um den Schutz von Menschen, sondern um Beherrschung des Weltmarkts und Milliarden-Gewinne. Der Impfstoff wird zur politischen Waffe. Das ist der Grund für das Export-Verbot der USA, für die Exportbeschränkungen des Astra-Impfstoffs (statt 220 Mio. Dosen nur noch 100 Mio. bis zur Jahrensmitte an die EU-Staaten!), für die Vernachlässigung der ärmeren Länder bei der Verteilung der Impfstoffe – und auch für die erfolgreiche Impfkampagne in Israel. Dank der Privatabsprachen mit dem Pfizer-Chef konnte er durch sein Preisangebot andere Länder ausbooten. Die Palästnenser in den besetzten Gebieten stehen nicht auf dem Impfplan…
Das ist die vielbeschworene „westliche Wertegemeinschaft“? Teil dieser „Wertegemeinschaft“ sind die als korrupt entlarvten MdB der CDU.
Nicht zu übersehen ist, dass Russland und China mit großzügigen Impfstofflieferungen an viele ärmere Länder und Indien – als „größter Impfstoffhersteller der Welt“ mit seinen Kooperationsangeboten an die USA – versuchen, aus dem Debakel politisches Kapital zu schlagen. Blamabel für die Bundesregierung ist, dass die innovativen RNA-Impfstoffe in Deutschland entwickelt wurden – um dann von US-Pharma-Monopolen nach deren Interessen vermarktet zu werden. All dies unterstreicht die Forderung nach Aufhebung des Patentrechts für Covid-Impfstoffe, siehe auch die Kampagne von BUKO Pharma und Medico International, die wir unbedingt unterstützen. Impfstoffe und lebensnotwendige Medikamente gehören der Menschheit!
Impfstoffe sind noch nicht die Lösung, aber ein entscheidender Baustein bei der Bewältigung der Corona-Krise. Angesichts des akuten Impfstoffmangels wird die Forderung nach europäischer Zulassung und und Einsatz des russischen Sputnik-Impfstoffs lauter – zurecht! Es darf keine politischen Kriterien bei der Überprüfung der Notzulassung von Impfstoffen geben. Offensichtlich wird Sputnik in Deutschland und in der EU zeitnah gebraucht. Und es ist nicht einzusehen, dass die Bevölkerung die Konsequenzen einer profitgesteuerten Impfpolitik und der Propagandaschlacht der USA gegen China und Russland ausbadet – mit noch mehr Corona-Toten!
Angesichts der Erfolge der Impfungen in verschiedenen Ländern dürfen wir weitergehende und längerfristige Fragen nicht aus dem Blick verlieren:
- Die neuen Mutationen werden nur teilweise von den vorliegenden Impfstoffen abgedeckt
- Die Vernachlässigung bestimmter Länder und Bevölkerungsteile bei den Impfstofflieferungen und -programmen begünstigt das Auftreten neuer noch gefährlicherer Mutationen von CoV-2 wie aktuell der brasilianischen Variante
- Die bisher vorliegenden Impfstoffe führen zumindest teilweise nicht zu einer langfristigen Immunität
- Ohne grundlegende Verbesserungen der sozialen Bedingungen und im Kampf gegen die globalen Umweltzerstörungen werden Impfkampagnen gegen die Pandemie nur kurzfristig erfolgreich sein.
Ein gravierendes Problem ist auch, dass eine unabhängige Nachverfolgung der Nebenwirkungen und Folgewirkungen der Impfungen bislang gar nicht geplant ist. Wir haben uns deshalb vor wenigen Tagen mit einem Offenen Brief an das RKI und P. Ehrlich-Institut gewendet, den wir bereits gestern in den Verteiler gegeben haben. Er ging auch an einen breiten Medienverteiler und wir bitten Sie / Euch darum, damit auch gegenüber lokalen Medien vorstellig zu werden.
Die Forderung wird immer lauter, endlich die Hausärzte in das Impf-Management einzubeziehen. Der Chirurg und Kolumnist in der Frankfurter Rundschau Bernd Hontschik hat uns folgenden Beitrag geschickt: „In den letzten zwölf Monaten hatte ich wiederholt das Gefühl, dass unsere Hausärztinnen und Hausärzte zu Deppen der Nation gemacht werden. Und sie lassen es sich – leider – gefallen!! Zu Anfang der Pandemie standen sie in der vordersten Reihe, hilflos dem Virus ausgesetzt, ohne Schutzkleidung, fehlerhaft informiert.
Masken seien sinnlos: schon vergessen? Das haben nicht wenige von ihnen mit dem Leben bezahlt!
und als jetzt das Impfprogramm geplant wurde, sind Messehallen umgebaut und Medizinstudenten aktiviert worden, aber das beste, bestinfomierteste und rund um die Uhr vorhandene, seit Jahrzehnten bewährte System, nämlich das der niedergelassenen Hausärztinnen und Hausärzte, wurde dabei schlicht ignoriert, als gäbe es sie gar nicht.
Und auch jetzt sucht man nach „50 Pilotpraxen“, mit denen das impfen ausprobiert werden kann.
Soll man jetzt lachen oder weinen? Hausärzt/innen impfen jeden Tag, schon immer, das ist ihr ureigenstes Metier. Jetzt sollen sie also Mitte April mit dem Impfen anfangen „dürfen“!! – eine direkte Fortsetzung der stümperhaften Pandemie-Verwaltung… Wann werden sie sich endlich wehren?“
Kurzmeldungen:
- Prof. Dr. Sucharit Bhakdi ist Gründungsmitglied und Vorsitzender der „Initiative Mediziner und Wissenschaftler für Gesundheit, Freiheit und Demokratie“ (MWGFD e.V.), einem Sammelbecken von Corona-Leugnern und Impfgegnern. Er und seine Frau, Professorin Karina Reiß, geben den Corona-Leugnern den wissenschaftlichen Anstrich. Kernpunkte seiner Argumente: Die Corona-Pandemie sei bereits im April beendet gewesen; es gebe eine Immunität der Bevölkerung und deshalb sei eine Impfung nicht mehr nötig. Das Coronavirus ist harmloser als Grippeviren. Bei den unter 65-jährigen liegt die Sterberate ohnehin nur bei 0,002 Prozent. Seitdem ein Baustein ihrer Theorie nach dem anderen zusammenbricht, nimmt Bhakdi die durch die Realität widerlegten Argumente von der Website der MWGFD – ohne jede Selbstkritik, um neue Behauptungen und Halbwahrheiten nachzuschieben.
- Eine brasilianische Mutante von SARS-CoV-2 ist nicht nur deutlich ansteckender. Auch Reinfektionen bei Genesenen sind offensichtlich möglich. In der Amazonas-Region Manaus hatte schon die erste Welle besonders stark zugeschlagen und zu einer hohen Durchseuchung mit SARS-CoV-2 geführt. Eine zweite Welle traf die Region dann zwischen Dezember 2020 und Januar 2021. Mit Genom-Sequenzierungen konnte nachgewiesen werden, dass diese Welle überwiegend von der sogenannten P1-Linie bestimmt wird, einer „Variant of concern“ (VOC) die sich in Brasilien und anderen Ländern zunehmend verbreitet. Forscher aus São Paulo gehen davon aus, dass die neue P1-Linie um den Faktor 1,4 bis 2,2 leichter übertragbar ist als früher zirkulierende Varianten. Sie konnten in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern vom Imperial College London und der University of Oxford 17 Mutationen nachweisen – davon sind drei virologisch relevant und betreffen die Spikeproteine (K417T, E484K and N501Y). Diese Veränderungen sind mit einer erhöhten Bindungsfähigkeit an den ACE-Rezeptor verbunden, was die Übertragung erleichtert. Einiges deutet in Manaus auch auf eine erhöhte Mortalität der neuen Variante hin – dies könne aber auch auf den Kollaps des Gesundheitssystems in dieser Region zurückzuführen sein. Weltweit wurde die neue Variante bereits in 20 Ländern nachgewiesen, darunter auch in Großbritannien. Nuno R et Al, Genomics and epidemiology of a novel SARS-CoV-2 lineage in Manaus, Brazil. medRxiv
- In Großbritannien ist die britische Variante B.1.1.7 seit Ende Dezember für den Großteil der SARS-CoV-2-Infektion verantwortlich. Im März berichtete das Robert-Koch-Institut, dass bei etwa 55% der SARS-CoV-2-Infizierten in der BRD die britische Variante nachgewiesen wurde – mit steigender Tendenz. Ende Januar waren es lediglich 6% gewesen. Weshalb die Variante des Virus, welche 17 charakteristische Mutationen aufweist, eine höhere Übertragbarkeit und Mortalität zeigt, ist noch unklar. Durch die Veränderungen im Virusgenom verändern sich die Bindung an Angiotensin Converting Enzyme 2 (ACE2) und die virale Replikation. Aktualisierter Bericht zu Virusvarianten von SARS-CoV-2 in Deutschland, insbesondere zur Variant of Concern (VOC) B.1.1.7. Robert-Koch-Institut, 10.03.2021
- Groß-Britanien: Ankündigung von Pflegestreiks und Solidaritätsstreiks von Ärzten: Nach der Ankündigung der Johnson-Regierung, die Einkommen des Pflegepersonals nur um 1 % zu erhöhen, werden Streiks angekündigt – und auch landesweite Solidaritätsstreiks von Ärzten. Nach Aussagen der größten Krankenpflegegewerkschaft RNC ist die mickrige Lohnerhöhung ein „Schlag ins Gesicht“. Die Pflegekräfte im NHS verdienen heute inflationsbereingit weniger als vor 10 Jahren. Hinzu kommt der Plfegenotstand. Nach dem Brexit haben zehntausende qualifizierte Pflegekräfte das Land verlassen (s.a. Ärztezeitung 10.3.21)
- Keine Entspannung auf Intensivstationen: von Dezember bis Februar gab es zwar einen deutlichen Rückgang der Covid-bedingten Intensivfälle. Gleichzeitig stagnierte die Zahl der freien Intensivbetten bei etwa 2000. Prof. Karagiannides vom Klinikum Köln-Merheim geht davon aus dass die britische CoV-2-Variante auch zu schwereren Krankheitsverläufen führt. In Nachbarländern wie Tschechien, Belgien, Frankreich und Italien steigen die Zahlen der Covid-Intensivpatienten inzwischen wieder deutlich an, auch weil die Impfungen noch nicht zu einer Entspannung geführt haben (Ärzte Zeitung 12.3.21)
- Kindermediziner und -psychotherapeuten: Massive Auswirkungen des Lock-downs: Die Copsy-Studie der Uni-Klinik Hamburg-Eppendorf vergleicht das Empfinden von Kindern und Jugendlichen nach dem ersten und zweiten Locksdown. Demnach haben Depressionen und Ängste massiv zugenommen. 85 % empfinden Ängste, mehr denn je: „Es besteht die Gefahr, dass vor allem Kinder aus Risikofamilien ihre Motivation und Lebensfreude verlieren“, heißt es dort. Viele Studien weisen inzwischen darauf hin, dass die Beschäftigung mit Internet-Spielen und sog. „sozialen Medien“ und auch die Internetsucht massiv zugenommen hat. Zehn mal mehr als vor der Pandemie machen heute keinen Sport mehr. Der Hirnforscher Gerald Hüther weist auf strukturelle Veränderungen des kindlichen und jugendlichen Gehirns hin. Damit gehe auch das natürlichen Bedürfnis nach Gemeinschaft und die Lebensfreude zurück.
Wir freuen uns auf Eure/Ihre Zuschriften und Anregungen. Bleiben Sie / bleibt gesund ,
herzliche Grüße
Willi Mast, Günther Bittel, Günter Wagner