Die Internationalistische Liste / MLPD (InterListe/MLPD) zieht zum Bundestagswahlkampf 2021 ein insgesamt erfolgreiches Resümee. Unsere Aktivist*innen haben den Wahlkampf in die Tiefe geführt, haben sich über grundsätzliche Fragen mit den Menschen auseinander gesetzt und die Bewustseinsbildung der Massen deutlich voran gebracht. 800.000 Wahlzeitungen und 100.000 Wahlprogramme wurden zum größten Teil diesmal persönlich überreicht. 460 Kundgebungen führten wir in Innenstädten, in Wohngebieten, an Betrieben und Unis durch. Gleichzeitig haben wir ein deutlich schlechteres Ergebnis als in vorangegangenen Wahlen erreicht.
Gabi Fechtner, Spitzenkandidatin der InterListe/MLPD und Vorsitzende der MLPD, ordnet das Ergebnis so ein: „Wie wurde diese Wahl im Vorfeld hochstilisiert? Als Schicksalswahl – die letzte Wahl, die über den Kampf gegen den sogenannten Klimawandel entscheidet, als existentielle Entscheidung gegen einen Linksrutsch oder als Neuanfang. Nach der Wahl befassen sich die bürgerlichen Parteien mit profaneren Problemen. (…) Mit einer unvergleichlichen Manipulation der öffentlichen Meinung, die einen an Präsidentschaftswahlkämpfe in den USA erinnert, wurde die Wahl zu einem Triell zwischen den drei Kanzlerkandidaten umgewidmet. Es gelang den Herrschenden mit der Mobilisierung der kleinbürgerlich-parlamentarischen Denkweise, den fortschrittlichen Stimmungsumschwung zugunsten von Wahlstimmen für SPD und Grüne abzusaugen. Das hat nicht zuletzt die MLPD etliche Stimmen gekostet.“
Video-Statement von Gabi Fechtner: https://youtu.be/_wpxvlVYotk
Uns steht eine instabile Regierungsbildung bevor.
Es ist Teil der Ergebnisse der Bundestagswahl, dass das Monopolkapital seine unverblümt ausgesprochene Forderung nach einer CDU-FDP-Regierung unter Laschets Kanzlerschaft nicht durchsetzen konnte. In Folge des Wahlkampfs stürzt die CDU in eine Parteienkrise, die den rechten Flügel der Partei deutlich stärken könnte. Parallel befindet sich auch die AfD in einer Krise, denn Ihr Ergebnis bleibt weit hinter ihren Erwartungen zurück, auch wenn sie sich als stärkste Kraft in Sachsen und Thüringen durchsetzen konnten.
Grüne und FDP gewannen vor allen Dingen unter den Jungwähler*innen – bei den unter 30-Jährigen ersetzen sie die ehemaligen selbsterklärten „Volksparteien“ CDU und SPD als stärkste Kräfte mit soliden Ergebnissen über 20 %. Im Gegensatz dazu konnte die SPD größtenteils Stimmenzugewinne in der Altersgruppe über 60 erzielen.
Dass die Demagogie der FDP insbesondere unter der Jugend so verfangen konnte, überraschte uns. Wir müssen also als eine Schlussfolgerung aus dem Wahlkampf klären, was konkret an ihrer Propaganda die Jugend erreichen konnte.
Das Stimmenergebnis der InterListe/MLPD ist insgesamt deutlich schlechter als bei den vergangenen Wahlen. Unsere Direktkandidaten konnten wieder mehr Stimmen gewinnen, als wir Zweitstimmen erhielten, was die Wichtigkeit der Wahlkämpferbewegung ebenfalls unterstreicht. Dabei ordnet sich unser Ergebnis vom Verhältnis her in die allgemeine Wahlniederlage als links wahrgenommener Parteien, ob tatsächlich systemkritisch oder nicht, ein. Hierfür sehen wir eine Ursache klar in der Manipulation der Wahl durch die Umprägung der Bundestagswahl auf eine völlig fiktive „Kanzlerwahl“. Der CDU-Kandidat Laschet ist in der Bevölkerung so unbeliebt, dass eine Verhinderungskampagne gegen ihn vor allen Dingen die SPD stärken konnte. Diese Stärkung ist allerdings nur an das Anliegen der Verhinderung von Laschet als Kanzlerkandidaten der CDU gebunden (über 2/3 der SPD-Wähler geben das als Grund an, SPD gewählt zu haben). Dieses Bild deckt sich mit den Berichten, die wir aus verschiedenen Wählerinitiativen schon im Wahlkampf erhalten haben.
Stimmergebnis der Internationalistischen Liste / MLPD
Erststimmen (Direktkandidaten) 26 549 -32,6% verglichen mit 2017
Zweitstimmen (Liste) 17 994 -39,9% verglichen mit 2017
Unser Wahlampf hatte auch Schwächen: So ist uns die Ausrichtung auf die Jugend oder auch die Entfaltung einer breiten Wahlkämpferbewegung nur teilweise gelungen. Die Schwächen, die unser Wahlkampf im Einzelnen hatte, müssen wir gemeinsam diskutieren und auswerten. Hierzu könnt Ihr Beiträge auch an die zentrale Koordinierungsgruppe senden, besonders zur Vorbereitung des vor uns liegenden Bündnisrats.
Anna Vöhringer, Spitzenteam und Jugendverband REBELL erklärt zur Jugend: „Die Rebellion der Jugend meldete sich in diesem Wahlkampf lautstark zu Wort, mit dem Fridays for Future Aktionstag am 24. September mit 670.000 Beteiligten in Deutschland. In zahlreichen Gesprächen mit Jugendlichen zeigte sich eine gewachsene Aufgeschlossenheit unter der Jugend für die Diskussion über den Sozialismus. Das Wahlergebnis zeigt aber auch, dass gerade unter jungen Leuten noch viele Illusionen in die bürgerlichen Parteien bestehen, dass sie unsere Probleme lösen. Die drohende Werksschliessung von Opel Eisenach zeigt: wir müssen den Kampf um unsere Zukunft selbst in die Hand nehmen und uns besser organisieren! Als Internationalistischen Liste / MLPD müssen wir es noch besser verstehen, uns dazu wirklich an die Jugend zu wenden. Das gelang z.B. mit Jugendkonzerten bei einigen Abschlusskundgebungen, aber noch nicht durchgehend im ganzen Wahlkampf.“
Für uns als zentrale Koordinierungsgruppe des Internationalistischen Bündnisses ist besonders hervor zu heben, dass dieser Wahlkampf mehr als alle vorangegangenen eine wirkliche Bündnis-Sache wurde, dass die Zusammenarbeit der Trägerorganisationen im Wahlkampf deutlich höher entwickelt werden konnte und viele es auch zu ihrem eigenen Anliegen gemacht haben, dass der gemeinsame Wahlkampf lebendig, prägend und erfolgreich wird.
Hierzu schrieb Erhan Aktürk, Spitzenteam und Vertreter der ATIF (Föderation der Arbeiterinnen und Arbeiter aus der Türkei in Deutschland): „An der Wahl nahmen viele Parteien, große und kleine, teil. Wir haben als Internationalistische Liste / MLPD an der Wahl teilgenommen. Aber trotz unserer sehr begrenzten Möglichkeiten haben wir einen sehr erfolgreichen Wahlkampf geführt. (…) Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass in einer gemeinsamen Arbeit mit migrantischen Institutionen und Organisationen im internationalistischem Kampf ein Schritt vorwärts gegangen wurde. In diesem Sinne förderte der Wahlkampf auch wesentlich die Kultur der Zusammenarbeit.“
Unsere Positionierung nicht nur klar gegen den Kapitalismus, sondern genau so klar für den echten Sozialismus als Perspektive aus dem Krisenchaos und der Ausbeutung hinaus, hat sich als Volltreffer erwiesen, vor allen Dingen für die künftige Entwicklung, auch wenn es uns die eine oder andere Stimme gekostet haben mag. Das hat sich unter anderem daran gezeigt, wie solche Fragen von den Massen in der Auseinandersetzung mit uns aufgenommen und weiter geführt wurden. Die Menschen haben uns mehr Fragen zum Sozialismus gestellt, als zu irgendeinem anderen Thema. Das zeigt, wie sehr die Frage nach einer gesellschaftlichen Alternative und einem Ausweg aus dem Kapitalismus die Menschen umtreibt, auch wenn sich viele von ihnen zur taktischen Wahl haben drängen lassen.
Die Herrschenden haben zur Unterdrückung einer offenen und sachorientierten Diskussion über den Sozialismus eine antikommunistische Kampagne ohne Beispiel in der jüngeren Vergangenheit los getreten, auch wenn sie in ihrer Einfallslosigkeit gutenteils auf bereits altbekannte Methoden zurück gefallen sind, z.B. die „Rote Socken“-Kampagne. Zur weiteren Aufweichung des kommunistischen Freiheitsbegriffs wurde der Vorwurf des Kommunismus sogar wieder gegen die SPD erhoben – ein Vowurf, von dem wir die SPD bei dieser Gelegenheit ausdrücklich frei sprechen möchten.
Dass wir in der Auseinandersetzung mit dem Antikommunismus dennoch voran gekommen sind, zeigt auch der gewaltige Sprung, den die Bewegung „Gib Antikommunismus keine Chance!“ gemacht hat: Während des Wahlkampfs wuchs die Zahl der Unterstützer*innen von ca. 13.000 auf über 18.000 – der größte Sprung, den die Bewegung in ihrem Wachstum seit ihrem Start 2019 gemacht hat!
Diverse Organisationen aus dem linken Spektrum hatten im Vorfeld der Wahl zum Wahlboykott aufgerufen und eine Beteiligung an den bürgerlichen Wahlen als Anbetung parlamentarischer Illusionen und damit einen Kniefall vor der kleinbürgerlich-parlamentarischen Denkweise gegeißelt. Jetzt nach der Wahl strotzen ihre Analysen vor Negativismus und Massenfeindlichkeit
Hierzu erklärt Fritz Ullmann, Spitzenteam und Vertreter des LF – Linkes Forum im Bergischen Land: „Diese Kräfte, die der Wahl jeden Nutzen für den Fortschritt absprachen, überhöhen die Bedeutung der Wahl jetzt und interpretieren das Ergebnis einseitig, ohne es in die gesamtgesellschaftliche Situation einzuordnen. Der vergleichsweise hohe Anteil von SPD-Stimmen wird von ihnen zum Beispiel einfach nur als Zuspruch, als klares Votum der Massen für das imperialistische Weltsystem und die Stabilität des bürgerlichen Parlamentarismus und der Diktatur der Monopole verstanden. Dabei berücksichtigen die Wahlboykottler nicht, dass selbst nach bürgerlichen Analysen die überwältigende Mehrheit der SPD-Wähler die SPD nicht gewählt hat, weil sie ihrem Programm zustimmten oder in der SPD die Lösung des Krisenchaos sahen, sondern um den wohl unbeliebtesten Kanzler-Kandidaten der Bundesdeutschen Geschichte, CDU-Mann Armin Laschet, zu verhindern. Zwar haben sie das kleinere Übel gewählt, aber sie haben klar verstanden, dass auch Scholz ein Übel ist.“
Solche Einschätzungen zeigen, wie weit diese Organisationen von den Massen entfernt sind, und entblößen ihre Defensive gegenüber dem bürgerlichen Parlamentarismus. Dafür schieben sie die Schuld den Massen in die Schuhe.
Wir wollen unsere Erklärung mit dem Ergebnis von Thüringen abschließen, zu dem die MLPD auswertet:
„Zulegen konnten wir vor allem in Thüringen, wo wir in allen Wahlkreisen dazugewonnen haben und insgesamt 5639 wahrscheinliche Wähler haben, doppelt so viele wie letztes Mal. Das ist ein Erfolg der ganzen MLPD, die dort in den letzten Jahren eine konzentrierte Aufbauarbeit gemacht hat. Am ausgeprägtesten waren die Zuwächse in Gera – Greiz – Altenburger Land, wo wir 775 Erst- und 475 Zweitstimmen erhielten. Es gelang aber auch in einzelnen Orten, wo eine intensive Kleinarbeit entwickelt wurde, Ergebnisse zu steigern oder gute zu halten“.
Die bisherige detaillierte Auswertung zeigt in vielen Städten, dass wir dort wo wir systematisch arbeiten, die Ergebnisse halten oder sogar steigern konnten. Wir werden auf jeden Fall auf dem Fundament aufbauen, das wir in dieser Offensive gelegt haben.
Auch wir kommen zu dem Schluss, dass wir im Ergebnis dieses Wahlkampfs gute Grundlagen für die weitere Arbeit und den Aufbau des Bündnisses gelegt haben. Wir sagen:
Vielen Dank Euch allen und an alle Mitstreiterinnen und Mitstreiter für diesen lebendigen Wahlkampf!
Bitte beachtet die jeweiligen Auswertungen der verschiedenen Trägerorganisationen zur Wahl. Gerne sendet uns auch Eure Auswertung direkt zu.
Zur Weiterverbreitung fügen wir unsere Erklärung als PDF der Anlage dieser Nachricht bei.
Mit internationalistischen Grüßen
i.A.
Ulja Serway und Fritz Ullmann
für die zentrale Koordinierungsgruppe (zKOG)